Zwei Tage ,eine Nacht. Puppenfestival in Neustadt b Coburg und Sonneberg. Drei Puppenmacherinnen. Geschichten für zwei Wochen. Ich versuche einfach alles beim Schreiben zu ordnen, denn es stehen schon einige Gedanken in der Warteschleife – meine Wohnung gleicht einer Naturkatastrophe, ein gutes Zeichen – das bedeutet Inspiration und Inspirationsverwirklichung, der Motor läuft,Holunderblütensyrup,Marmelade,Puppe,Ukuleleunterricht,Seifenblasen – alles zugleich und sofort! – Stopp! Das alles später – zurück zur Reise.
Morgens um drei klingelt der Wecker, etwas später sitzen Maria, Anita und ich im Zug. Es ist Ende Mai und wir sind dankbar für unsere Wollpullover und unsere Schirme – meiner, rosa glitzernd, ist in Neustadt an der grauen Bahnhofsbank geblieben.
Regen, Nebel und dahinter läßt sich der Thüringer Wald erahnen. Unterkunft im Outdoor inn, Jugendherberge, zwei Stockbetten mit karierter Wäsche, bei uns allen tauchen Erinnerungen an Klassenfahrten auf, aber am nächsten Morgen sind wir uns einig so gut schon lange nicht mehr geschlafen zu haben – wunderbare Matratzen und freundlichstes Personal – absolut zu empfehlen, nur ein bisschen Abseits gelegen.
Abstieg ins Tal. Nebel, Nieselregen, nasse Füße. Erste Begegnung mit Einheimischen – ein Feuersalamander
wir schleichen uns ganz langsam heran, um ihn ja nicht zu verjagen, bald stellt sich heraus, dass er sich gar nicht verjagen lassen kann, viel zu kalt ist es für ihn, nur schleichen kann er.
Weiter abwärts ins Tal, durch Sonneberg.
Hier hat mein Vater einige Jahre seiner Kindheit verbracht und ich stelle mir vor, wie es wohl war damals und was die Menschen hier so gemacht haben – und ob es überhaupt welche gegeben hat – jetzt scheint es keine zu geben, Geisterstadt. Viel Leerstand, blühende Gärten.
Ich stelle mir vor – in diesem Saalbau gab es rauschende Tanzfeste mit berauschten Sonnebergern – dass sie feiern konnten kann ich mir vorstellen, die wenigen Exemplare, die wir zu Gesicht bekommen, sind freundlich und haben einen Schalk im Schuh.
Weiter, keine Menschen, also richtet sich mein Blick auf die Architektur und ich könnte mir durchaus vorstellen hier zu wohnen, irgendwo verwunschen, mit einer großen Puppenwerkstadt und Nachts würde ich dann als Clown durch die verlassenen Straßen spuken – rauschende Feste mit verlorenen Seelen finanziell ruinierter Spielzeugfabrikanten feiern- ein durchaus verlockender Lebensentwurf, doch wohl kaum realisierbar.
Angekommen in der Ratenaustr.bekomme ich Herzklopfen. Hier muss er herumgesprungen sein, mein Vater, mit aufgeschlagenen Knien und seiner Puppe !!? – ich habe mich immer gewundert über dieses Foto.
Jetzt wunder ich mich nicht mehr. Ich habe meinen Vater angerufen und ihm ein Foto von mir vor seinem Kindheitshaus geschickt.
Meine Reisebegleiterinnen und ich waren uns gleich einig, das schönste Haus in der Straße. Während des Telefonats, noch immer im Nieselregen, wurde dann aber klar, falsches Haus – also alle drei umentschieden, das ist das schönste Haus in der Straße
Und was hat das schönste Haus in der Straße mit dem Foto meines Vaters und seiner Schwester und überhaupt mit Puppen zu tun?
So einiges. Meines Vaters Stimme aus dem Telefon: ” Im ersten Stock haben wir gewohnt, ohne Bad, und das in den fünfzigern!- gebadet wurde Samstags in der Küche im Zuber. Zu ebener Erde wohnte Herr Müller, er hat Puppen gemacht, ganz Sonneberg hat Puppen gemacht. Bei den Bauern in den Küchen standen Tröge mit Kleister und Pappmache, zum Puppenmachen. Im Keller haben die Hühner gewohnt. Der Nachbar war der einzige der ein Auto in der Straße besaß, also konnten wir im Winter, wenn der Schnee sich in meter hohen Haufen am Wegrand türmte, die Straße hinunter schlittern. Gegenüber eine Puppenfabrik
( bevor wir wußten das es sich um eine Puppenfabrik handelte haben Maria, Anita und ich davon geträumt uns in dem Gebäude einzumieten und riesige Puppenwerkstädten zu errichten!)
dort haben wir uns als Kinder heimlich ins Stofflager geschlichen und auf den Ballen herumgeturnt, bis man uns entdeckte und hinausjagte.”
Kein wunder ,bei soviel Puppenumgebung, das auch mein Vater eine Puppe bekam – ich muss ihn mal fragen, ob er auch mit ihr gespielt hat!
Wir waren uns dann einig, mein Vater und ich, das er sich wohl damals mit dem Puppengen infiziert hat und es rezesiv in sich trug, mir weitervererbte und es sich dann bei mir als sichtbares Merkmal zeigt – ich also genetisch ist ” das mit den Puppen!”.
Meine Mutter hat natürlich durch ihre Puppenmacherei, meine genetische Prägung verstärkt.
Weiter, beschwingt durch das vernieselte, menschenleere Sonneberg, hier und da Hinweisschilder fürs Puppenfestival, leerstehende Gebäude und nicht vorhandene Menschen.
Der Zug nach Neustadt, Fahrzeit 4Minuten, fährt,leer – bis auf uns.
Ankunft Neustadt
Auch hier: Nieselregen, Leerstand und keine Menschen.
wieder widme ich mich den Vorgärten und Häusern
hier durften so einige Moden ihre Spuren hinterlassen!Wir sind noch immer gespannt und am rätseln wie dieses Festifal so ganz ohne Besucher auskommt?!
Und dann, die erste Begegnung mit der ganz speziellen Art, dem Puppenmensch.Und der erste Besuch bei einem Puppendoktor, wieder ein sehr herzlicher Mensch in einer skurilen Umgebung. Und hier zum ersten mal Menschen, ein Bus voll amerikanischer Puppenmenschen, durchaus sind auch Männer dabei – alle wirken ein wenig gebrechlich, übergewichtig und überglücklich, denn keiner dieser Menschen unter sechzig und alle mitten im Paradies, alte Puppen, Glasaugen,Perrücken, einzelne Gliedmaßen…
alles was ein Puppenmenschenherz begehrt…
morgen dann
kulinarisches
Preisverleihung des Oskar Arnold Kunstpreises
Puppenflohmarkt
und
Begegnung mit einer ganz besonderen Frau
Pupen und Puppen
Maria ließ mich wissen, dass in ihrem Kopf noch vorwiegend ” Gedankenspagetti” bezüglich unserer Reise seien – liebe Maria, bei mir auch, darum zurück zu Hollundersyrup und morgen weiter
erlebnissverdauend
Laura