Es ist fast Vollmond und die Hunde im Dorf veranstalten ein Konzert, das man meinen könnte es seien Wölfe darunter – doch laut meinem Reiseführer ist der indische Wolf so gut wie ausgestorben, dafür gibt es ja viele freie Hunde, freie Kühe, Katzen,Mücken.
Hier sind die Gärten eingezäunt und alles was Füße hat läuft frei herum und ist meist ziemlich friedlich, zumindest in Goa – allerdings wird auch an jeder Ecke ein Joint gebaut und Om meditiert – womit ich am ziemlichen Beginn – jetzt haben sich die Katzen unter die Hunde gemischt und es wird richtig spannend- meines Aufenthalts hier in Goa bin: Yogastunde voll Tatendrang, über mir drohend eine Kokosnusspalme, vollbehangen, jährlich sterben etliche Menschen durch herabfallende Kokosnüsse, rein materiell, droht sie mich mit ihren Früchten zu erschlagen, spirituell läuft mir das Wasser im Munde zusammen, weil ich nicht gefrühstückt habe und träume von der köstlichen Kokosnuss, die ich nach überstandener Yogastrapaze genießen werde – Tender Coconut, mildes Wasser, zartes Fruchtfleisch voll wunderbarster Nährstoffe – when your thoughts drift away just take a deep breath and come back…. ich müsste so tief atmen, dass ich mich gleich in Atem selbst auflöse um meine Gedanken von der Kokosnuss wegzubringen, doch das gelingt mir ja nicht ,da ich ein Yogaanfänger bin und an der nächstbesten Kokosnuss hängen bleibe und mir gleich den Nacken verrenke und erst mal schluss ist für mich mit Yoga. Tage mit steifem Nacken folgen, versüßt durch tender Coconut an jeder Straßenecke – da können sie mir alle kommen mit Om und Joint und Shanti, mein Herz schlägt einzig für Kokosnüsse, und meine Kinder sind auch schon süchtig, mein Jüngster fragt mich täglich über die Kokosnuss Situation in Deutschland aus, leider kann ich ihn mit meinen Antworten nicht wirklich zufrieden stellen. Er gibt aber nicht auf,fragt immer wieder, in der Hoffnung es möge sich ändern mit den Kokosnüssen in Deutschland, wenn er nur oft genug nachfragt.
Das Meer rauscht bis zu uns ins Dorf herüber, zu sehen ist es nicht, wir hören es – Plain Blue ist das Meer nicht, eher silbern,golden in der Abendsonne – Plain Blue ist der Himmel -Plain Blue sollte der Stoff für meine Churida sein – jetzt ist sie Rot, grün,pink,gelb,schwarz und wild gemustert mit Pilzen.
Es wird von Tag zu Tag heißer und vorbei ist die Zeit, da das Wetter tender war wie das Wasser der Kokosnüsse, die Gedanken sind zäh.
Plain blue – immer wieder drifte ich ab von plain blue, wohl das Goasyndrom vom 100sten ins 1000de zu kommen, irgendwo zu landen, nirgendwo – ständig springend in Gedanken, auch wenn sie zäh werden von der Hitze, zähes Gedankenzeitlupenspringen.
Plain blue – in Mapusa auf Einkaufstour mit Fulla, meine wunderbare Stütze durch den Anfang all der Bundheit, Nichtverstehen des Alltags hier, wundern über alles, am meisten über Farben und das verlieren meines Bewertungssysthems was gefällt mir was nicht – wie entscheiden in all der Vielfalt ? Eine Churida, traditionelles indisches Kleidungsstück bestehend aus einer Hose,Tunika und Tuch wollte ich haben – plain blue ! Also hinein in all die Stoffläden, so ganz verstehen konnte man mich nicht, das ich so gar kein Muster wollte und dann auch noch aus Baumwolle… schließlich fand ich genau meinen Stoff, doch war er leider gerade nicht da, außer auf der Farbkarte, der nächste Laden hatte ihn dann, nur erschien er mir nicht sehr baumwollig, doch, doch unbedingt, die Meter abgemessen – ” are you sure it is cotton sir?” “yes yes mam” – abgeschnitten und da seh ich auf den Stoff gedruckt 60 % Polyester, 40% Viscose – da hat sich sofort meine europäische Empörung aktiviert, die der Verkäufer mit einem freundlichen ” no problem mam, no problem, you dont have to take” gleich im Keime zu ersticken wußte.
Also wieder hinaus in den nächsten Laden, hier gabs fertige Churida Kombipakete zu kaufen und zwei unglaublich schnelle, geschickte Verkäuferinnen.
Schnell,bunt, gelb, grün, rot,lila,blumen,punkte,schwarz,silber,pilze,gold,blau,orange,lila – knister, knister alles in Zelophan, schnell war mir klar, hier würde ich nicht raus gehen ohne etwas gekauft zu haben, gut, dann die Farbkombination orange- blau , plötzlich war alles orange in den Augen der Verkäuferinnen, grün war orange, türkis war orange, gelb war orange und braun war orange, und Pilze waren orange – Pilze!- halt plötzlich tauchte ein ruhiger beschaulicher, europäischer Wald mit Pilzen vor mir auf ” I take this!” und nix wie raus.
Ich gab mich geschlagen, Pilze auf grünem Grund können mit ein wenig Fantasie auch plain blue sein.
Weiter über den Markt vorbei an Glasarmreifen, getrockneten fischen, lebenden Hühnern, Gemüse, Berge an Blüten, plattgetretenen Ratten,
schlafenden Hunden, bettelnden Händen und unmengen Churida tragenden Frauen, denen ich allen nachsah mit der Frage im Kopf ” wie konnte sie sich genau für diese Farbmusterkombination entscheiden?”
Und dann wollte ich mich doch nicht geschlagen geben, ein bei mir selten erwachender Kampfgeist führte mich direkrt in den nächsten Stoffladen – plain blue cotton- und hinaus kam ich genau mit dem was ich von anfang an wollte – plain blue cotton-
nach einigem tragen werde ich immer unsicherer was das cotton angeht, ob überhaupt auch nur ein Prozent cotton in diesem Stoff ist, aber plain blue das ist mir geblieben. Und ich bin froh darüber – der fehlende Baumwollanteil ist mein europäisches lehrgeld an Asien.
Jetzt laufe ich also abwechselnd in plain blue und pilzredgreenpinkblackyellow herum und möchte sie gar nicht mehr ablegen diese bequeme Kleiderkombination, mir graut schon vor der engen graugraugrau Mode in Berlin.
Anfangs habe ich neidisch auf die Hippies in ihren frei wallenden Gewändern geblickt wußte aber gleich – das werde ich nicht tragen, bei aller Bequemlichkeit nicht- und jetzt schaut die goanische Bevöllkerung mich ganz begeistert an und an allen Straßenecken wird mir vor allem von Frauen zugeraunt ” good indian dress”, ein Ladeninhaber ließ mich auch gleich wissen ” your dress good dress, this dress not good dress! ” und er deutete auf eine fast gar nicht bekleidete Russin, ich darauf ” this is no dress, this only belt!”, er ” yes yes !” .
Hier wurden meine plain blue und phantasy plain blue churidas gefertigt
Bei all meiner Anpassung an die goanische Bevölkerung bin ich natürlich auch in so manches Fettnäpfchen hinaingefallen.
Ganz stolz über meine Churida Komplimente bin hab ich mir die frisch gekaufte 5Liter Wasserflasche auf den Kopf gestellt und bin erhobenen Hauptes ins Dorf marschiert. Bei unserem Haus empfing mich schallendes Gelächter aus mehreren Frauenkehlen, ach die fröhlichen Menschen hier dacht ich mir, wollte gerade mitlachen als mich unsere Vermieterin darüber aufklärte das man das nicht macht, das Wasser wird auf der Hüfte getragen und ich mache mich gerade zum Gespött der versammelten weiblichen Dorfgemeinschaft.
Ich bin jetzt ein wenig vorsichtiger mit der Anpassungseuphorie geworden…